Transkript der Folge Einsamkeit - was tun?
Peggy Elfmann: Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man Dinge erzählt, die nicht so schön sind, oder wenn ich gesagt habe, meine Mama hat Alzheimer und jetzt muss ich in die Klinik, und ich dabei sehr oft gute Ratschläge von anderen erhalten habe und immer das Gefühl hatte, man versteht mich überhaupt nicht, oder ich empfand ein Unwohlsein. Dann dachte ich, ich kann niemandem etwas erzählen, weil mich keiner versteht. Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Leben, lieben, Pflegen“, dem Podcast zur Demenz und Familie. Ich bin Peggy Elfmann, Journalistin und Bloggerin auf „Alzheimer und wir“.
Anja Kälin: Hallo und willkommen. Ich bin Anja Kälin, Familiencoach und Mitgründerin von Desideria. Wir begleiten Angehörige von Menschen mit Demenz. Heute möchten wir über das Thema Einsamkeit sprechen. Einsamkeit ist etwas ganz anderes als Alleinsein. Und wohl so ziemlich jeder Mensch kennt dieses Gefühl. Wir gehen der Frage nach, wie Einsamkeit entsteht und warum die Demenz oft auch Einsamkeit mit sich bringt. Natürlich besprechen wir auch, wie es gelingen kann, aus der Einsamkeit zu kommen.
Peggy Elfmann: Doch bevor wir anfangen, möchten wir noch Danke schön sagen. Vielen Dank an den Verein Retler. Er unterstützt uns finanziell bei der Produktion dieser Folge. Ganz herzlichen Dank. Anja, erinnerst du dich an das Gefühl von Einsamkeit im Zusammenhang mit der Demenz deiner Mutter?
Anja Kälin: Ich habe einmal beobachtet, wie meine Mutter sich zunehmend einsam in bestimmten Situationen gefühlt hat.
Peggy Elfmann: Hat sie das auch so gesagt?
Anja Kälin: Nein, es war eher ein Gefühl, das ich hatte. Ich fühlte mich selbst gerade am Anfang mit diesem Thema allein. Als junge Mutter brachte ich meine Kinder täglich in den Kindergarten und holte sie ab. Dabei hatte ich das Gefühl: „Was für Themen hast du? Alle anderen sind ganz anders unterwegs.“ Ich hatte das Gefühl, mit einem unsichtbaren Päckchen herumzulaufen, über das es schwierig ist zu sprechen. Dies löste bei mir sicherlich auch Einsamkeitsgefühle aus.
Peggy Elfmann: Wie war es bei dir?
Anja Kälin: Ähnlich. Meine Mama ist auch relativ früh erkrankt, und meine Tochter war damals knapp drei. Alle Freundinnen und Bekannte, die ich hatte, hatten kleine Kinder, Babys oder noch nicht einmal Kinder. So waren auch die Themen. Niemand hatte jemanden mit einer Erkrankung oder jemanden, den er pflegen musste. Entsprechend alleine fühlte ich mich damit. Ich erinnere mich an einen Moment, relativ kurz nach der Diagnose, wo dies in mir sehr schwer wog, und ich es eigentlich auch gerne Freundinnen, die ich sehr mochte, erzählt hätte. Doch auf dieser Feier herrschte eine solche Unbeschwertheit und Lockerheit, dass ich dachte: „Wenn ich jetzt damit herauskomme, blamiere ich mich zum einen mit meiner Trauer, meiner Traurigkeit. Und was mache ich dann mit der Feier, torpediere ich sie?“ Und so habe ich an dem Wochenende, das wir zusammen verbrachten, eigentlich nichts gesagt. Nur meine beste Freundin wusste Bescheid.
Peggy Elfmann: Das kann ich so bestätigen. Es gab dann eher durch Zufälle Gesprächsanlässe, bei denen man sich austauschen konnte. Zum Beispiel hatte eine Freundin einen Schlaganfall der Mutter und diese musste ins Krankenhaus, und ihr Vater war verstorben. Das waren einfach auch schwere Themen. Darüber kamen wir dann auch zu meinen Themen in Kontakt, aber da gab es einen anderen Zugang.
Meine beste Freundin kannte meine Mutter auch aus unserer Jugend. Da war es auch einfach, darüber zu sprechen. Und dann hatte ich meine Schwester und meinen Mann. Auf Festen hatte ich auch das Gefühl, nicht den Mut zu haben, diese Themen anzusprechen. Ich antwortete auf die Frage „Wie geht es dir?“ eher mit „Gut“ und umschiffte so die Themen.
Anja Kälin: Dabei merkt man, dass Einsamsein nicht unbedingt Alleinsein ist, denn gerade in einer großen Gruppe ist man mit vielen Menschen zusammen. Eigentlich müsste man sich nicht einsam fühlen. Gerade da kommt das Gefühl auf.
Peggy Elfmann: Ich glaube, das ist genau der Unterschied. Das eine ist etwas Objektives: Alleinsein, für sich sein. Das andere ist ein Gefühl, das man von außen nicht unbedingt sehen kann.
Anja Kälin: Es ist oft so, dass Menschen, wenn sie älter werden, mehr alleine sind als jüngere Menschen oder sich einsam fühlen. Mein Vater sagt manchmal, es ist stiller geworden bei uns, und meint damit auch tatsächlich dieses Alleingelassenwerden. Es ist aber vielleicht nicht einfach, sich auch von Freunden zurückzuziehen, und das ist durchaus beidseitig: zum einen, dass die anderen vielleicht nicht genau wissen, zum anderen, dass auch auf Seiten meiner Eltern ein Rückzug stattfand.
Ich glaube, das wird häufig auch mit Einsamkeit verbunden: sich nicht zugehörig fühlen, abgeschnitten fühlen, aus dem Kontakt gehen. Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben. Das eine ist vielleicht eine selbstgewählte Einsamkeit, wenn man sagt: „Ich möchte niemanden belasten“, oder wenn Unsicherheit besteht, weil ich mich verändere, weil meine Frau sich verändert, weil unser Alltag sich auch verändert. Es hat auch mit Mut zu tun, etwas zu zeigen und offen über etwas zu sprechen, was eigentlich die Zugehörigkeit zu einer Gruppe infrage stellt. Es ist aber auch die Reaktion der Umwelt auf einen solchen Rückzug, und das kann sich gegenseitig bedingen.
Peggy Elfmann: Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man Dinge erzählt, die nicht so schön sind, oder wenn ich gesagt habe, meine Mama hat Alzheimer und jetzt muss ich in die Klinik, und ich dabei sehr oft gute Ratschläge von anderen erhalten habe und immer das Gefühl hatte, dass man mich überhaupt nicht versteht, oder ein Unwohlsein empfand. Ich dachte dann, ich kann niemandem etwas erzählen, weil mich niemand versteht.
Anja Kälin: Ich glaube, damit sprichst du etwas Wichtiges an, denn letztendlich – und das ist wahrscheinlich eher die Botschaft für das Umfeld – es geht gar nicht darum, dem anderen Ratschläge zu geben, weil diese im Zweifel nicht passen oder eher noch das Gefühl des Nicht-Verstandenseins verschärfen. Ich glaube, man möchte auch gar keinen Ratschlag, weil die Situation so besonders und so einzigartig ist. Ich glaube, es geht eher darum, dass jemand da ist und zuhört, wenn der andere es möchte. Das heißt, vielleicht ist manchmal auch nur Dasein eine schöne Aktivität; sich anzubieten und sich verlässlich anzubieten. Ich denke, so können wir Menschen in Situationen, in denen sie sich einsam fühlen, helfen. Nicht Ratschläge zu geben – „mach doch dies, mach doch das“ –, sondern einfach sich anzubieten, und das mit Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Dem anderen sollte der Raum und die Entscheidungsmöglichkeit gegeben werden, wann er über was sprechen möchte. Und wenn der andere sagt: „Nein, es tut mir gerade nicht gut, darüber zu reden“, ist es auch in Ordnung. Dann kann man über das Wetter reden oder darüber, wo man ein Eis essen geht oder Ähnliches. Ich glaube, das wäre vielleicht auch ein Teil der Botschaft für das Umfeld von Familien mit Demenz oder von sich einsam fühlenden Menschen.
Peggy Elfmann: Du meinst, dass sie sich als Gesprächspartner anbieten sollen, oder?
Anja Kälin: Es muss ja vielleicht auch gar nicht das Gespräch sein, es reicht ja das Dasein. Ich finde, dieses Dasein, also präsent sein, dem anderen zugewandt das Dasein zeigen. „Ich bin für dich da.“ Ich habe eine Zeit lang eine Therapie gemacht, weil ich das Gefühl hatte, dass ich mich bei jemand anderem öffnen kann. Und ihn nicht belaste. Es war tatsächlich auch dieses Gefühl: Mir geht es so schlecht damit, und es versteht aber niemand.
Das ist aber eine gute Möglichkeit, sich jemanden zu suchen, der da ist, verlässlich da ist, zuhört, keine eigenen Interessen hat und bei dem man die Dinge einfach abladen darf. Letztendlich ist das ja auch ein Stück weit das, was er gut kann: zuhören und da sein. Er geht professionell mit dieser Situation um. Da muss man sich auch nicht schlecht fühlen, dass man sich ihm zumutet oder Ähnliches. Ich finde aber auch ganz niederschwellige Dinge, beispielsweise, wo die Hürde nicht so hoch ist, denn ich meine, das ist wirklich ein Schritt, sich für eine Therapie oder auch ein Coaching zu entscheiden. Ich habe das dann auch irgendwann gemacht, weil ich gemerkt habe: „Ich brauche jetzt jemanden.“ Aber beispielsweise, da können wir jetzt vielleicht einfach noch mal auf die Telefonengel von Retla zu sprechen kommen. Du hast ja von Retla erzählt. Erzähl doch mal, was die Tolles machen und wie sie unterstützen können.
Peggy Elfmann: Im Prinzip wurden die Telefonengel auch im Zeichen von Corona ins Leben gerufen, und das ist eine Telefonnummer, bei der man anrufen kann, wenn man das Gefühl hat, eine Person zu wünschen, mit der man regelmäßig spricht und in Kontakt ist, um sich aus der Einsamkeit und – bei Corona war es ja tatsächlich auch Isolation – gerade ältere Personen herauszuholen. Das Schöne finde ich, dass man sich dort mit ihnen verbindet und dann einen Partner bekommt, der sich anbietet, beispielsweise einmal die Woche anzurufen oder zu bestimmten Zeiten. Man kann sich auch treffen. Wie dieser Kontakt dann gestaltet wird, liegt also tatsächlich auch in den Händen dieser Partnerschaft oder dieses Patenverhältnisses.
Das finde ich einfach super, weil der Impuls quasi vom Paten ausgeht und nicht von der Person, die sich vielleicht alleine, einsam oder isoliert fühlt, abgeschnitten von der Welt, und sich mehr Kontakt wünscht sowie einen Menschen, der zuverlässig da ist, mit einem redet, interessiert ist und nachfragt. Ich finde das ein super Angebot.
Die Kontaktdaten werden wir alle auf der Webseite hinterlegen. Falls jemand anrufen oder angerufen werden möchte oder jemanden kennt, der gerne mit jemandem sprechen möchte, könnt ihr euch dorthin wenden. Wir haben jetzt schon beleuchtet, wie es uns ging, wann wir uns einsam oder vielleicht auch unverstanden gefühlt haben, und woran es vielleicht auch lag, dass wir mit unserer Pflegesituation ein wenig aus der Norm fielen. Was ich noch spannend finde zu beleuchten, ist auch die Partnerschaft. Wir sind beides Töchter von Müttern, die an Alzheimer erkrankt sind. Ich finde es immer wieder erwähnenswert, dass man sich auch in der Partnerschaft sehr allein fühlen kann. Beispielsweise denke ich an meinen Vater zurück, als sie dann bei uns unten in der Wohnung wohnten. Ich kann mich an Gespräche erinnern, in denen mein Vater mir sagte: „Ich kann noch viel versuchen, für die Mama zu tun, aber ich fühle mich manchmal schon auf sehr verlorenem Posten.“
Anja Kälin: Das geht meinem Vater ähnlich. Einerseits erlebe ich eine große Nähe zwischen meinen Eltern. Sie waren schon immer eher eine Einheit und sind jetzt in einer Symbiose verschmolzen. Mein Vater ist eigentlich den ganzen Tag für meine Mama da, bringt sie zur Tagespflege, aber sonst ist er derjenige, der da ist und sich kümmert. Er macht das auch mit einer wahnsinnigen Liebe und humorvoll,
Anja Kälin: fehlt. Und das erlebe ich eben auch sehr häufig in den Coachings. Beispielsweise hat einmal eine Frau zu mir gesagt: „Ich habe das Gefühl, der hat sich einfach davongeschlichen.“ Ich habe meinen Gesprächspartner verloren und auch jemanden, der Verantwortung übernommen hat, wie wir das hier alles machen und gestalten. Sie hat ganz viele Aufgaben übernommen und sagte, man vereinsame dabei sehr, weil sich letztlich das Gegenüber sehr verändert und damit die Beziehung sich verändert und man sehr stark in die Verantwortung genommen wird. Es ist also eine Veränderung von einer Paar- in eine Pflegebeziehung, und das macht natürlich viel aus.
Peggy Elfmann: Ich denke jetzt gerade wieder an das Demenz-Meet zurück, wo auch ein Pärchen erzählt hat, das ihre Partner jeweils gepflegt hatte und in dieser sehr fortgeschrittenen Pflegesituation sehr einsam waren. Dabei haben sie eine ganz unkonventionelle Lösung, wenn man so sagen möchte, gefunden: Sie haben sich als Paar gefunden.
Anja Kälin: Ich glaube, hier ist es auch noch einmal wichtig zu vergegenwärtigen, dass es auch für diese Situation gut ist, sich Menschen zu suchen, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind und Verständnis für diese Gefühle haben, die da auftauchen und in der Lage sind, sich hineinzudenken und hineinzuversetzen. Letztlich könnte man sich wie bei einem Ritual anbieten und sagen: „Geh mal ins Kino, ich rufe dich an.“ Dass man vielleicht auch noch einmal auf Freunde, Familienmitglieder oder Angehörigengruppen zurückgreift, wo man Menschen in ähnlichen Situationen trifft, die sich dann gegenseitig bestärken, Halt geben, Verständnis entgegenbringen und sich vielleicht auch zu bestimmten Themen inspirieren können.
Ich habe es eingangs schon einmal gesagt, dass ich der Einsamkeit bei der Beobachtung meiner Mutter begegnet bin. Ich glaube, es ist bei diesem Thema vielleicht auch noch einmal ganz spannend, inwiefern sich der Erkrankte einsam fühlt.
Peggy Elfmann: Ich weiß nicht, wie ist es bei deiner Mama?
Anja Kälin: Wenn ich meine Mama jetzt so beobachte und mit vor acht, neun Jahren vergleiche, dann denke ich, dass sie damals sicher auch einsam war. Sie hat es nie gesagt, aber es gab viele Momente, in denen sie sehr traurig war und geweint hat. Wir haben nicht darüber gesprochen. Jetzt denke ich manchmal, keiner hat sich getraut, etwas zu sagen, und sie vielleicht auch nicht. Dass das schon auch eine Einsamkeit war, und jetzt, wo sie eigentlich oft in einer anderen Welt ist, weil sie die Augen zu hat oder einfach da sitzt und anwesend ist, wirkt sie auf mich sehr oft einfach total zufrieden.
Ich habe das Gefühl, ihr geht es gut. Ich werde oft von Menschen gefragt: „Wie geht es deiner Mama und wie geht es ihrer Mutter?“ Ich denke dann: „Eigentlich geht es ihr gut.“ Sie ist in sich zufrieden und ruht in sich. Wir tragen das irgendwie mit uns herum, und bei ihr sind diese Gefühle, glaube ich, verschwunden.
Peggy Elfmann: Ich habe aber auch den Eindruck, dass deine Mama aus deinen Erzählungen zufolge in ein System eingebettet ist, wo die Beziehungsqualität sehr hoch ist. Das heißt, sie bekommt Zuwendung, sie erfährt Nähe, sie hat dieses Dasein ihres Umfeldes. Insofern sind das wirklich Faktoren, die dieses Gefühl von Einsamkeit nähren oder eben auch lindern. Ich glaube, bei den anderen, also das, was du für dich erfährst, das ist etwas, das ich gut nachvollziehen kann. Ich glaube, dieses sich einsam Fühlen mit bestimmten Themen oder Situationen, die vielleicht schwer zu besprechen sind, ist dann eher das Thema der Angehörigen und vermischt sich wahrscheinlich auch mit Trauer, Abschied oder solchen Gefühlen, kann ich mir vorstellen.
Anja Kälin: Es sind oft Gedanken oder Gefühle, die man bezüglich Dingen hat, die man nicht unbedingt sagen kann. Dieses „Ich bin traurig, weil sie nicht mehr da ist und nicht mehr spricht, weil unsere Mutter-Tochter-Beziehung einfach weg ist“ in dem Sinne, dass sie eine Mutter ist, und dann zu sagen: „Ich fühle mich einsam, weil sie mich als Tochter verlassen hat“, finde ich irgendwie schwierig. Ich denke dann auch, es ist doch eigentlich total ungerecht, dass ich so etwas sage, weil es sie doch viel schwerer getroffen hat. Sie ist diejenige, die krank ist. Gleichzeitig fühle ich aber doch diese Einsamkeit und diese Trauer, dass das weg ist.
Peggy Elfmann: Mir ging es da über weite Strecken ähnlich: dieses Verlassensein und sich deswegen einsam zu fühlen. Es wiegt schwer, und das überhaupt zu besprechen und sich einzugestehen, will man vielleicht auch nicht dem Vater sagen und vielleicht nicht dem Bruder sagen, weil es ihm ähnlich geht. Man bestärkt sich dann gegenseitig eher in diesen Gefühlen und spricht eventuell gar nicht darüber. Und dann ist man mit diesem Gefühl auch einsam, und ich denke, darin liegt eine Gefahr, weil Budien beispielsweise auch sagen, dass das Gefühl von Einsamkeit, wenn es sich chronifiziert, ein Gesundheitsrisiko darstellt. Daraus können auch ungünstige Dinge entstehen.
Anja Kälin: Das wirkt sich auf beides aus: zum einen auf die Psyche, da es Depressionen begünstigt, aber auch auf körperliche Erkrankungen.
Peggy Elfman:n Oder eben auch dysfunktionale Bewältigungsstrategien. Das hatten wir auch schon an anderer Stelle gesagt, dass dann eventuell der tröstende Griff zum Alkohol oder der Griff zur Schlaftablette aus diesem Gefühl heraus leichter oder schneller zur Hand ist. Aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Krankheiten können daraus entstehen.
Anja Kälin: Das heißt, das ist ein echtes Gesundheitsproblem. Eigentlich sollten die Ärzte dann auch genauer bei pflegenden Angehörigen hinschauen.
Peggy Elfmann: Ich glaube, das ist die große Herausforderung für uns als Gesellschaft, das zu sehen oder zumindest bewusst zu haben, dass es ein Teil ist, auch ein Teil der alternden Gesellschaft, weil das Alter auch das Risiko der Vereinsamung bestärkt. Covid ist sicherlich eine Geschichte, um das noch einmal zu nennen. Es ist ein sehr stilles Gefühl im Vergleich zu anderen Gefühlen, die man vielleicht leichter sieht und erkennt. Insofern braucht es ein Bewusstsein und dann das Hinschauen und Dasein.
Anja Kälin: Was man den Hörerinnen und Hörern mitgeben kann, ist, dass man, wenn man das Gefühl hat, dass jemand einsam ist, hartnäckig im positiven Sinne bleibt, sich anbietet oder hinschaut und begleitet. Und vielleicht muss man auch nicht unbedingt die schweren Themen besprechen. Es geht ja auch nicht immer darum, dass Demenz das Thema sein muss, sondern einfach nur jemanden zu wissen, an den man sich wenden könnte.
Peggy Elfmann: Finde ich gut. Gleichzeitig, in der Selbstwahrnehmung, wenn ich merke, dass solche Gefühle immer wieder und immer öfter auftauchen, sollte ich mir letztlich Hilfe holen oder eben auch dagegensteuern und sagen: „Ich merke, dass ich da in etwas hineinrutsche und mich vielleicht auch im Gespräch traue, darüber zu sprechen.“ Gerade dieses Hilfeholen oder dieses irgendwo hingehen ist aber alleine schwierig.
Anja Kälin: Ich war auch in der Angehörigenschulung, und was ich da so schön fand, ist, dass eine Mutter mit Tochter und ein Vater mit Tochter, wo jeweils die Partner oder Partnerin eine Demenz hatten, dies zusammen gemacht haben und quasi auf diesem Weg begleitet wurden. Ich war auch mit meinem Vater bei diversen Terminen und bei einer Beratung zusammen, und ich das gut fand und er es auch gut fand, obwohl es von früher her nie so gewesen wäre, dass ich ihn irgendwohin begleite, aber dort war es als emotionale Unterstützung für uns beide letztlich gut. Ein ganz schön schweres Thema.
Peggy Elfmann: Ein wichtiges Thema und gleichzeitig auch ein wenig knifflig, weil es nicht so an der Oberfläche liegt. Es bedarf wirklich des Hinschauens und Hinspürens und Ideen, welche Angebote helfen. Wir werden einige Angebote auf einem Worksheet zusammenfassen, damit ihr sie euch ausdrucken oder weitergeben oder einfach für den Notfall parat haben könnt.
Anja Kälin: Wir hoffen, dass es euch gefallen hat oder wenn ihr jemanden kennt, dass ihr die Folge einfach weiterempfehlt. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal.