
Krankheitseinsicht
Krankheitseinsicht bedeutet, zu erkennen und zu akzeptieren, dass man krank ist. Während das bei vielen körperlichen Erkrankungen selbstverständlich erscheint, fällt es Menschen mit Demenz oft schwer, oder ist ihnen gar nicht möglich. Für Angehörige und Pflegepersonen stellt das eine besondere Herausforderung dar.
Bei einer Grippe etwa wissen Betroffene meist genau, dass sie krank sind. Schmerzen, Fieber oder Erschöpfung machen das deutlich. Doch bei einer Demenz ist die Situation komplexer. Es fehlt das übereinstimmende Erleben von Symptomen – viele Betroffene merken gar nicht, dass sich ihr Verhalten verändert.
Warum Krankheitseinsicht bei Demenz fehlt
Die Gründe für eine fehlende Krankheitseinsicht sind unterschiedlich, beispielsweise:
- Fehlender Leidensdruck: Viele merken nicht, dass ihr Verhalten nicht mehr der Norm entspricht.
- Schutzmechanismus: „Wenn ich es ignoriere, ist es nicht real.“
- Stigmatisierung: Niemand will als „geistig krank“ gelten und Verleugnung ist ein Versuch, die Fassade aufrechtzuerhalten.
- Hirnorganische Ursachen: Bei fortschreitender Demenz sind Hirnregionen betroffen, die für Selbstreflexion zuständig sind – Fachbegriff: Anosognosie
Oft beschuldigen Betroffene andere, wenn etwas fehlt oder schiefgeht: „Ich wurde bestohlen“, „Ihr habt mich reingelegt“. Diese Form der Realitätsverzerrung ist keine Absicht, sondern Teil der Erkrankung.
Was das Umfeld erlebt
Besonders zu Beginn der Erkrankung sind es die Angehörigen, die die Veränderungen spüren:
- Persönlichkeitsveränderungen
- Stimmungsschwankungen
- Rückzug oder Aggression
- Feindseligkeit gegenüber vertrauten Menschen
Viele Betroffene lehnen Unterstützung ab:
- Sie bestehen darauf, weiterhin Auto zu fahren
- Sie tragen bei Kälte Sommerkleidung
- Sie verweigern Arztbesuche oder Hilfe im Alltag
Solche Situationen führen oft zu Konflikten, dabei ist auch das Verhalten der Angehörigen entscheidend: Verständnis, Geduld und ein respektvoller Umgang können helfen, Eskalationen zu vermeiden.
Gespräch suchen, immer wieder
Ein Mensch mit Demenz braucht oft Zeit, um sich auf eine ärztliche Abklärung einzulassen. Es ist hilfreich, wenn Angehörige das Thema immer wieder einfühlsam ansprechen:
- Ohne Druck oder Vorwürfe
- Mit echter Sorge und Augenhöhe
- Mit Hinweisen auf Alltagssituationen, die Unterstützung erfordern
- In Begleitung eines Arztes, dem der oder die Betroffene vertraut
Wenn der Hausarzt den Verdacht auf eine Demenz bestätigt, ist eine Untersuchung in einer Memory Clinic sinnvoll. Dort werden spezielle Tests durchgeführt, um die Art und das Ausmaß der kognitiven Einschränkungen zu erfassen.
Fachbegriff: Anosognosie
Fehlende Krankheitseinsicht bei Demenz wird medizinisch als Anosognosie bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein neurologisch bedingtes Nichterkennen der eigenen Erkrankung, keine Verleugnung im psychologischen Sinn, sondern eine Folge der Hirnschädigung selbst.
Was Angehörigen hilft
- Verständnis: Fehlende Einsicht ist Teil der Erkrankung, kein „Wollen“
- Haltung: Achtung vor der Würde und Autonomie der Betroffenen
- Vertrauen: Nur in einem sicheren, respektvollen Umfeld sind Gespräche möglich
- Unterstützung: Beratung durch Gedächtniszentren oder Alzheimer-Organisationen
- Geduld: Krankheitseinsicht entsteht selten von heute auf morgen. Sie wächst, wenn überhaupt, langsam
© demenzworld/Kompetenzzentrum Demenz Schleswig Holstein/Desideria
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