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Aggression

Aggressionen gehören zum menschlichen Verhalten. Sie entstehen, wenn wir frustriert oder gestresst sind. Menschen mit Demenz werden nicht per se aggressiv. Es ist wichtig zu verstehen, weshalb sie mit Wut und Aggression reagieren.

Warum zeigen Menschen mit Demenz Wut und Aggression

Menschen mit Demenz können aggressiv werden, wenn sie Schmerzen haben. Menschen mit Demenz können meist nicht mehr äussern, wenn ihnen etwas weh tut. Wer das Essen verweigert, hat vielleicht Zahn- oder Bauchschmerzen. Oft sind andere Gründe zu nennen, wie etwa Überforderung, Verunsicherung, Angst, Frustration, die in Aggression umschlagen können. Wenn Menschen mit Inkontinenz beispielsweise nicht verstehen, was bei der Intimpflege mit ihnen passiert, deuten sie diese als Angriff. Sie schieben die Pflegenden weg oder versuchen, sie zu schlagen.

Beispiele für herausforderndes Verhalten können sein: 

  • Der Vater, dass er sich mit Freunden zum Skatspielen verabredet hat, obwohl diese schon lange tot sind? Dann wird er wütend, wenn man widerspricht. 
  • Verlegt Ihr eifersüchtiger Mann seinen Hausschlüssel immer wieder und behauptet, Sie hätten ihm den Schlüssel weggenommen, um ihn zu Hause einzuschliessen, damit Sie zu einem anderen Mann gehen können? 
  • Haben Sie sich viel Mühe gegeben, etwas Leckeres zuzubereiten und der demenzkranke Angehörige schmeisst «den Fraß» einfach auf den Boden? 
  • Die schwer pflegebedürftige und hochbetagte Frau wehrt sich mit Schlägen, Tritten und Bissen gegen die Körperpflege. 
  • Der frühere Trinker und an Korsakov erkrankte Mann wehrt sich mit wüsten und verletzenden Beschimpfungen gegen alles, was ihm in die Quere kommt.

Die Form der Demenzerkrankung beeinflusst die Symptome. Menschen mit Frontotemporaler Demenz sind häufig stark enthemmt. Versucht man, diese Enthemmung zu bremsen, können sie aggressiv werden. Bei vaskulärer Demenz können starke Stimmungsschwankungen zu Aggressionen führen, bei Menschen mit Alzheimer sind es eher Wahnsymptome: die Erkrankten glauben beispielsweise, sie werden vergiftet, wehren sich entsprechend gegen die Medikamentenaufnahme.

Doch selbst wenn man alle möglichen Gründe für Verhaltensstörungen eruiert, wird man sie nicht immer ohne Medikamente lindern können. Das muss der behandelnde Arzt oder die Ärztin in Absprache mit den Pflegenden und Angehörigen entscheiden.

9 Tipps, um richtig auf Aggressionen bei Demenz zu reagieren

  1. Verlasse die Situation. Ich komme ins Zimmer und der Patient reagiert ungehalten und ablehnend. Dann sage ich oft: «Einen kleinen Moment bitte, ich komme gleich wieder.» Ich verlasse also die Situation und diese Unterbrechung nimmt oft die Anspannung raus. Je nach Demenzform kann es passieren, dass der Patient sich gar nicht mehr erinnert, dass ich diejenige bin, die kurz zuvor schon einmal ins Zimmer gekommen ist. Auch ich selbst habe mich dann meistens beruhigt und kann mich besser auf den Patienten einstellen. 
  2. Atme tief ein. Eine zweite Strategie, die bei mir gut greift: Tief einatmen und 21, 22, 23 … zählen. Dabei werde ich tatsächlich ruhiger.  
  3. Reagiere wertschätzend. Diese Herangehensweise ist die Beste: Ich reagiere wertschätzend. Das heißt, ich versuche die Situation umzudrehen und deeskalierend auf den Patienten einzuwirken. Sofern er es zulässt, nehme ich Körperkontakt auf, berühre ihn am Arm oder an der Schulter und versuche ihn durch streichende Bewegungen zu beruhigen. Das funktioniert oft gut. Allerdings bin ich nicht immer dazu in der Lage. 
  4. Berühre den Patienten nicht am Kopf. Man muss auch vorsichtig sein, ich habe schon einmal eine gewatscht bekommen. Wichtig ist, den Patienten in einer solchen Situation nicht am Kopf oder im Gesicht zu berühren, das wird leicht als Angriff empfunden. 
  5. Sprich langsam und tief. Mit tiefer Stimme, in kurzen Sätzen und langsam sprechen – das kann deeskalierend wirken. 
  6. Betrachte Aggression als Symptom der Demenz. Was mir hilft, wenn Demenzkranke aggressiv werden: Ich sage mir, dass es nicht sie selbst sind, die mich beschimpfen, dass es vielmehr die Krankheit ist, die sie so hat werden lassen. Ich versuche, die Aggression zu betrachten wie ein Symptom, ähnlich wie einen auffälligen Puls.
  7. Knüpfe an das an, was den Patienten beschäftigt. Eine andere gute Methode ist, sich auf die Wut des Patienten total einzulassen, seine Wahrheit nicht infrage zu stellen. Wenn mir ein 94-jähriger Patient mit abwehrenden Handbewegungen erklärt, er hätte jetzt keine Zeit für mein Anliegen, er müsse seine vierjährige Tochter aus dem Kindergarten abholen, dann erkläre ich ihm nicht, dass seine Tochter inzwischen Ende 50 ist und nicht mehr in den Kindergarten geht. Vielmehr versuche ich das, was ich pflegerisch plane, mit seinem Wunsch zu verbinden. «Ja, Sie sind ein zuverlässiger Mann, Sie wollen nicht zu spät kommen, das verstehe ich. Aber vielleicht darf ich Ihnen vorher dabei helfen, ein wenig gut auszusehen.» So oder ähnlich versuche ich ihn abzulenken. Das funktioniert meistens. 
  8. Erlaube dir ein Lachen! Was für mich ganz allgemein im Umgang mit Demenzkranken ebenfalls wichtig ist: Man darf lachen. Nicht über die Demenzkranken, aber mit ihnen. Wenn die Patientin sich etwa mit der Gabel die Haare kämmt: Dann lache ich nicht, weil sie etwas Lächerliches getan hat, sondern weil die Assoziation, die sie hat, für mich sogar irgendwie nachvollziehbar ist und mir Freude bereitet. Das wiederum freut sie. Vielleicht lässt sich so manche aggressive Situation auflösen – das sollten wir häufiger probieren. 
  9. Sprich mit Kollegen über eskalierte Situationen. Nichtsdestotrotz: Es gibt immer wieder Situationen, in denen man die Geduld verliert, wenn Patienten zum Beispiel sehr persönlich werden oder einen unsittlich berühren. So etwas beschäftigt mich lange, weil ich dann glaube, professionell versagt zu haben. Andererseits: Erfolgreich ist man mit seiner Arbeit nur, wenn man menschlich bleibt und sich berühren lässt. Ideal ist, wenn man über solche Erfahrungen mit Kollegen sprechen und Lösungen finden kann.

Welche Hilfsangebote gibt es für Angehörige?

Manchmal geht es trotz aller Strategien und Methoden nicht mehr. Für die Pflegenden ist es belastend, wenn Menschen mit Demenz schreien oder um sich schlagen, sobald sie gewaschen werden sollen. Es ist erschöpfend, wenn sie jede Nacht um Hilfe rufen (vor allem für zu Hause pflegende Angehörige). Kein Mensch hat die Kraft, dies über längere Zeit allein auszuhalten. 

Manchmal helfen alle Tipps zur Deeskalation nicht mehr weiter. Dann braucht es Unterstützung. Entweder können die Aufgaben innerhalb der Familie verteilt werden oder man holt professionelle Hilfe. Ein ambulanter Pflegedienst oder eine Kurzzeitpflege verschaffen Pausen. Neben Selbsthilfegruppen, Internetforen oder Weblogs kann man sich auch in Angehörigenschulungen und Selbsthilfegruppen Rat holen und Erfahrungen austauschen. 
© demenzworld

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