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Sedierung

Sedierung wird bei Demenz oft eingesetzt, um Unruhe oder Aggression zu dämpfen, doch die Risiken sind hoch, und Alternativen sollten sorgfältig geprüft werden. Ein Blick auf die Praxis des Ruhigstellens durch Sedierung bei Demenz und welche Alternativen möglich sind.

Was bedeutet Sedierung?

Der Begriff Sedierung stammt vom lateinischen «sedare» ab, was auf deutsch «sinken lassen, beruhigen» bedeutet. Er bezeichnet in der Medizin die Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems mit Hilfe eines Beruhigungsmittels. Die Pharmakologie nennt ein solches Mittel «Sedativum», im Plural «Sedativa». Diese Arzneimittel mit sedierender Wirkung sind eine Untergruppe der Psychopharmaka.

Sedierung bei Demenz

Sedierung mit Hilfe von Arzneimitteln ist eine Form der Ruhigstellung. Bei Menschen mit Demenz werden Sedativa aufgrund der besonderen Symptome verordnet, die mit der Krankheit einhergehen. Viele Betroffene fallen im Verlauf der Erkrankung durch gravierende Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen auf. Aus Überforderung oder als Folge von nicht behandelten Schmerzen können sie aggressiv werden, beschimpfen Pflegende oder wehren sich körperlich gegen Hilfestellungen.

Manche misstrauen Familie, Freunden oder Pflegenden, sie bestehlen zu wollen. Andere laufen nachts unruhig umher, weil sie nicht wissen, ob Tag oder Nacht ist oder sie sich bedroht fühlen. Wieder andere können enthemmt, sexuell aufdringlich oder apathisch werden. Das alles zu erleben, ist eine grosse Herausforderung für Angehörige und Pflegende. Obwohl die medizinischen Leitlinien dies nicht als erste Wahl vorsehen, greifen manche Ärzte und Pfleger zu Sedativa, um die Patienten ruhigzustellen.

Nebenwirkungen und Risiken

Allerdings haben diese Medikamente teils erhebliche Nebenwirkungen. Sedativa können die Auffassungsgabe, die Konzentration sowie das Sprachverständnis und das Ausdrucksvermögen Demenzkranker beeinträchtigen und ausserdem Muskelsteifigkeit, Muskelschwäche, Antriebslosigkeit und Schläfrigkeit auslösen. Damit ist nicht selten auch ein erhöhtes Sturzrisiko verbunden. Oft zeigen diese Medikamente auch gar keine oder eine gegenteilige Wirkung bei Menschen mit Demenz.

Beispiel Neuroleptika

Über 40 Prozent aller Heimbewohner, die an Demenz leiden, erhalten dauerhaft Neuroleptika, eine Untergruppe der Sedativa. Sie wirken gegen Erregungszustände, Wahnideen, Halluzinationen und Denkzerfahrenheit. Ziel ist es, Symptome wie Aggressivität, Reizbarkeit und Unruhe zu lindern. Doch Studien zeigen: Die Nebenwirkungen überwiegen oft den Nutzen. Muskelanspannungen, Gang- und Sprachstörungen, Zittern und sogar eine erhöhte Sterblichkeit wurden dokumentiert.

Beispiel Benzodiazepine

Benzodiazepine sind häufig angewandte Beruhigungsmittel bei nächtlicher Unruhe und Aggression. Doch auch hier gibt es grosse Risiken: erhöhte Sturzgefahr, Abhängigkeit, Lungenentzündungen und eine um rund 40 Prozent erhöhte Sterblichkeit. Fachgesellschaften empfehlen daher: Nichtmedikamentöse Maßnahmen sollten immer erste Wahl sein.

Fehlversorgung durch Sedierung

Laut einer Analyse der Techniker Krankenkasse (2018) zeigt sich eine «flächendeckende Fehlversorgung». Nur 14 Prozent der Betroffenen erhielten ein spezifisches Anti-Dementivum, 26 Prozent wurden ausschliesslich mit einem Sedativum behandelt. Es entsteht der Eindruck, dass viele Menschen mit Demenz lediglich ruhiggestellt werden, anstatt eine passende Therapie zu erhalten.

Auch der Deutsche Ethikrat mahnt zur Vorsicht: Sedierung darf nur als «Ultima Ratio» eingesetzt werden. Diagnostik, Indikationsstellung, Dosierung und Fortführung sollten streng überwacht und dokumentiert werden. Pflegeanbieter sind verpflichtet, Maßnahmen zur Reduktion von Sedierungen umzusetzen.

Welche Alternativen gibt es?

Reto Kressig von der Schweizerischen Gesellschaft für Geriatrie betont: Zuerst sollten immer alle nichtmedikamentösen Maßnahmen ausgeschöpft werden. Beispielsweise:

  • Bei Schlafstörungen: Schlafumgebung optimieren, Lichtverhältnisse verbessern
  • Bei Unruhe oder Aggression: Validierende Gespräche, Beschäftigung, Bewegung, Musik
  • Bei Schmerzen: Ursachen gezielt behandeln, körperliche Beschwerden früh erkennen
  • Allgemein: Biografisch passende Rituale, Tagesstruktur und soziale Teilhabe

Sind Medikamente unumgänglich, muss individuell abgewogen werden, ob sie wirklich notwendig sind. Es sollte so wenig wie möglich verschrieben werden und immer mit Blick auf mögliche Wechselwirkungen.

© demenzworld/Kompetenzzentrum Demenz Schleswig Holstein/Desideria

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