
Resilienz
Resilienz spielt eine wichtige Rolle, wenn es um den Umgang mit Demenz geht. Manche Menschen sind widerstandsfähiger gegen Demenz als andere. Resilienz bei Demenz spielt dabei eine ebenso wichtige Rolle wie für Angehörige und Pflegende.
Es gibt Menschen, die sie von Anfang an mitbringen: diese besondere psychische Widerstandsfähigkeit, mit deren Hilfe sich Krisen und belastende Ereignisse überstehen lassen. »Resilienz« ist der Fachbegriff für die Fähigkeit der Seele, im Umgang mit den Herausforderungen des Lebens eher dick- als dünnhäutig zu sein. Ganz grundsätzlich ist Resilienz in zwei Lebenssituationen von besonderer Bedeutung:
- Nach einer Krise oder einem Trauma, um die normale Funktionsfähigkeit wiederherzustellen
- Zum Erhalt dieser Funktionsfähigkeit trotz schwieriger Umstände (etwa Krisen oder Krankheiten)
Die psychologischen Grundlagen der Resilienz
Wie gewinnt ein Mensch eine solche innere Stärke? Das versucht die Resilienzforschung zu ergründen, eine relativ junge Disziplin, die in den 1950er-Jahren entstanden ist. Sie bezieht in ihre Überlegungen Faktoren wie Armut, Familie, Migration, Religion und Genetik mit ein. Den Forschern zufolge gibt es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, die für Resilienz stehen. Erklärt werden diese Merkmale im Modell der «Big Five», einem universellen Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung. Diesem Modell zufolge machen fünf Hauptdimensionen (eben »Big Five«) die Persönlichkeit eines Menschen aus:
- Kontrolle der Emotionen (Neurotizismus)
- Geselligkeit und Optimismus (Intro- oder Extraversion)
- Offenheit für Erfahrungen (Wissbegierde, Experimentierfreudigkeit)
- Verträglichkeit (Neigung zur Zusammenarbeit und Empathie)
- Gewissenhaftigkeit (Disziplin und Leistungsbereitschaft)
Bewertet werden die fünf Merkmale mit Hilfe von Skalierungen, von Punktesystemen. Dabei zeigt sich: Sind bestimmte Merkmale stark ausgeprägt, wirkt sich das günstig auf die Resilienz aus. Wer im Bereich Neurotizismus niedrige Werte sowie leicht überdurchschnittliche Werte in den vier übrigen Dimensionen aufweist, gilt allgemein als resilient.
Resilienz bei Demenz lernen für Betroffene und Angehörige
Entgegen früherer Annahmen handelt es sich bei Resilienz jedoch nicht um eine unveränderliche Persönlichkeitseigenschaft. Vielmehr ist sie das Produkt eines Entwicklungsprozesses und deshalb zu jedem Stand des Lebens ausbaufähig. Im Fokus der steht dabei die Stärkung verschiedener Eigenschaften, die eine schützende Wirkung gegenüber Stressfaktoren haben. Um die eigene Resilienz zu stärken, empfiehlt es sich, diese Faktoren stärker im Leben zu integrieren:
- Werteorientierung und Sinnhaftigkeit
- Kohärenzgefühl
- Positive Emotionen
- Hardiness
- Selbstwertgefühl
- Coping (Bewältigungsstrategien)
- Selbstwirksamkeitserwartung
- Optimismus
- Soziale Unterstützung
- Kognitive Flexibilität
- Religiosität oder Spiritualität
Kognitive Resilienz ist ein Schutzschild vor Demenz
Warum werden manche Menschen im Alter dement und andere nicht, selbst, wenn sie hochbetagt sind? Die Ursachen dafür könnten unter anderem mit dem Lebensstil zusammenhängen. Das ist eine der Aussagen der »The 90+ Study«, einer Langzeitstudie mit 1700 Teilnehmenden, die sich mit den geistigen Fähigkeiten Hochbetagter beschäftigt.
Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigte, hatten 40 Prozent der Studienteilnehmer demenzielle Erkrankungen, doch: Diese waren ihnen zu Lebzeiten nicht anzumerken. Umgekehrt zeigte die Hälfte der Demenzpatienten Symptome von geistigem Abbau, ohne dass Veränderungen (zum Beispiel Eiweissablagerungen im Gehirn) vorlagen.
Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von »kognitiver Resilienz«: ein spezieller Zustand, in dem der betreffende Mensch zwar typische Alzheimer-Pathologien aufweist, aber keine Demenz-Symptome zeigt. Ursachen für die kognitive Resilienz könnten mit dem Lebensstil zusammenhängen, vermutete das Team um die Neurobiologin Claudia Kawas von der University of California, Irvine. Die Gruppe der resilienten Studienteilnehmer war zum Beispiel mehr in Bewegung und sah weniger fern.
Festgestellt wurde auch ein Zusammenhang zwischen Demenz und Bildung, zumindest dann, wenn es schon alzheimertypische Ablagerungen im Gehirn gab, erklärte Kawas 2017 auf dem 24. Weltkongress für Neurobiologie in Kyoto: »Menschen mit geringer Bildung hatten in diesem Fall ein viermal höheres statistisches Risiko, an Demenz zu erkranken, als Menschen mit höherer Bildung.« Ist lebenslanges Lernen ein Resilienzfaktor? Darüber weiss die Wissenschaft noch wenig. Für die Wirksamkeit etwa von Gehirntrainings gibt es derzeit noch keine Belege, sie scheinen eher kurzfristige Erfolge zu bringen.
Resilienz bei Demenz als Kraftquelle für Pflegende
Die Krankheit Demenz stellt Beziehungen auf die höchste Probe. Im täglichen Umgang geraten viele Pflegende an die Grenzen ihrer Kräfte. In dem Gefühl, dem Familienangehörigen oder Partner gegenüber verpflichtet zu sein, vergessen viele Pflegende ihr eigenes Wohlbefinden. Der stressige und psychisch belastende Pflegealltag führt dann nicht selten zu seelischer Erschöpfung, oftmals verbunden mit körperlichen Beschwerden, chronischen Schlafstörungen, einem geschwächten Immunsystem, Depressionen und Angstzuständen, aber auch sozialer Isolation und Einsamkeit.
Was es in solchen Momenten braucht, ist Resilienz. Sie kommt nicht nur der eigenen Gesundheit zugute, sondern erleichtert auch die Pflegesituation. Folgende Maßnahmen helfen, um ein stärkeres Nervenkostüm zu entwickeln:
- Ausgleich suchen: Sich selbst Gutes tun, von Entspannungsbad bis Urlaubsreise.
- Regelmässige Bewegung: Spaziergänge, Gartenarbeit oder Sport helfen beim Stressabbau.
- Meditation und Achtsamkeit: Techniken wie MBSR lindern chronischen Stress.
- Professionelle Hilfe und Austausch: Beratungsstellen, Psychotherapie oder Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung.
© demenzworld/Kompetenzzentrum Demenz Schleswig Holstein/Desideria
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