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Transkript zur Folge Mit Demenz ins Krankenhaus

Peggy Elfmann: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Leben, lieben, pflegen. Der Podcast zu Demenz und Familie. Ich bin Peggy Elfmann, Journalistin und Bloggerin auf Alzheimer und Wir.


Anja Kälin: Hallo und willkommen. Ich bin Anja Kälin, Familiencoach und Mitgründerin von Desideria Care. Wir begleiten Angehörige von Menschen mit Demenz und das tun wir mit unterschiedlichen Angeboten, etwa Angehörigentreffen und Seminare, aber auch Eins-zu-eins-Coachings oder Coachings für die ganze Familie.


Peggy Elfmann: Anja und ich sprechen heute über eine Situation, die für viele Menschen mit Demenz und auch ihre Angehörigen herausfordernd ist. Und zwar geht es um das Thema Krankenhaus. Wie ist das eigentlich, wenn Menschen mit Demenz ins Krankenhaus müssen? Entweder durch eine geplante Operation oder ein Notfall. Was sollte man als Angehöriger unbedingt wissen und wie kann man sich auch ein bisschen vorbereiten? Darüber tauschen wir uns heute aus bei Leben, lieben, pflegen.

Doch bevor wir anfangen, möchten wir noch Dankeschön sagen. Ein großer Dank geht an die Edit Haberland Wagner Stiftung. Sie unterstützt uns finanziell bei der Produktion dieser Folge. Ganz herzlichen Dank. Ja, wir wollen ja heute über das Thema Krankenhaus sprechen und ich glaube, wir müssen vielleicht grundsätzlich zwei verschiedene Dinge unterscheiden. Also einmal eher so eine geplante Situation, wenn ich mich darauf vorbereiten kann und meinen Angehörigen mit Demenz, und dann tatsächlich so eine Notfallsituation, ein Akutfall, wo man sich eben nicht wirklich darauf vorbereiten kann, wo schon diese große Aufregung vielleicht ist, weil derjenige ins Krankenhaus muss, große Unsicherheit, was jetzt passiert und wahrscheinlich auch Untersuchungen notwendig sind, die man so nicht vorhersehen kann.

Vielleicht lassen uns doch mal einsteigen mit so einer geplanten Situation. Was hast du für Erfahrung gemacht und was sollte man vielleicht bedenken als Angehöriger?


Anja Kälin: Ich habe jetzt quasi mit meiner Mutter hier keine Erfahrung gemacht mit geplanten Krankenhausaufenthalten. Das war jetzt für uns eher ein Glück oder wir haben diese Entscheidung auch eher so getroffen, dass wir so das Gefühl hatten. Also wirklich nur im äußersten Notfall und der ist nicht eingetreten. Ich kann aber sagen, aus den Angehörigengruppen und auch aus den Coachings und den Familien, die ich begleite, tauchen solche Situationen immer wieder auf. Ja, also der Mensch ist ja auch mit Alter verbunden und da kommen solche Geschichten immer wieder vor, dass man sagt, okay, hier bedarf es einer Behandlung und vielleicht auch einer Behandlung im Krankenhaus. Ich habe den Eindruck, das wird halt häufig unterschätzt, weil man vielleicht eher so sagt, ach, das könnte für mich einfach auch mal eine Phase sein, wo ich nicht 24/7 in die Pflege eingebunden bin und gar nicht so sehr antizipiere, dass im Krankenhaus natürlich die Umgebung für den Erkrankten schwierig ist und ich den Demenzpatienten ja auch begleiten muss als Angehöriger.
 

Peggy Elfmann: Ja, ich meine, klar, man geht, glaube ich, erstmal davon aus, ist im Krankenhaus, da sind viele Ärzte, da sind Pfleger, da sind Schwestern und da ist mein Angehöriger sicher gut versorgt, weil es da viel Wissen gibt und viele Menschen, die sich mit dem Thema auskennen. Das ist, glaube ich, so der Gedanke oder das ist auch das, wovon ich ausgegangen bin und aber die Realität ist natürlich häufig eher eine andere, dass gar nicht unbedingt Wissen zur Demenz da ist oder vielleicht auch gar nicht klar ist, dass derjenige eine Demenz hat.
 

Anja Kälin: Ja, völlig richtig. Und insofern denke ich, wenn man so etwas vorbereiten kann, ist ganz essenziell, dass man also mit den Ärzten schon im Vorfeld spricht. Also einmal mit dem überweisenden Hausarzt, einmal eben sehr genau überlegt, ist es eine gute Entscheidung, ist es notwendig, macht es Sinn, ist auch die Belastung, die eventuell der Angehörige mit Demenz durch so eine Situation hat, steht es im Verhältnis zu dem, was der Nutzen vielleicht auch ist. Und wenn ich dann quasi die Überweisung habe, dass ich dann auch schaue, gibt es vielleicht in der Umgebung ein Krankenhaus, was auf Demenzpatienten vorbereitet ist, also ein sogenanntes demenzsensibles Krankenhaus. Und wenn ich dann quasi dort in der Aufnahme und in den Vorgesprächen bin, dass ich das genau platziere und eben sage, es liegt eine Diagnose vor oder wir haben eventuell die Vermutung, dass hier eine Demenz vorliegt. Was brauchen Sie, damit wir diesen Krankenhausaufenthalt gut gestalten können, sowohl für den Erkrankten, aber auch für uns als Familie und Angehörige und schauen, wie man diesen ganzen Aufenthalt gut managen kann.
 

Peggy Elfmann: Ja, kommt ja schon durch. Es ist total wichtig, sich damit zu beschäftigen als Angehöriger. Und da gibt es von der Alzheimer Gesellschaft eine sehr gute Broschüre, die erklärt und die aber auch so ein Fallblatt beinhaltet. Das kann man sich auch herunterladen. Wir verlinken das alles in den Show Notes, indem man eben verschiedene Dinge aufdröseln kann. Also, wie ist mein Angehöriger? Was braucht er, welche Unterstützung braucht er? Wie ist es nachts? Also, dass man das tatsächlich aufschreibt, nicht nur dafür sorgt, dass es irgendwie so einsichtig ist, dass das Personal dann Zugriff hat und das sieht.
 

Anja Kälin: Genau. Und gut informiert ist. Und letzten Endes, was hier auch hilft, dass ich Orientierung gebe, also vielleicht auch Dinge einpacke, die vertraut sind oder wichtig sind, dass man eventuell ein Bild, ein Foto mit auf den Nachttisch gibt, dass man vertraute Sachen einpackt, wie den Schlafanzug oder das Lieblingskissen mitgibt und da muss man sich natürlich vielleicht auch mit dem Krankenhaus abstimmen, aber wenn das alles vorher offen und gut kommuniziert ist, hat man da schon die Chance, das auch sehr gut zu gestalten. Was auch beispielsweise in unseren Angehörigen-Seminaren, was wir da empfehlen, ist, dass man letztlich auch das soziale Umfeld und die Familie mit einplant und sagt:
 

Peggy Elfmann: Wie weit, also was empfiehlst du da konkret?
 

Anja Kälin: Ja, also, dass man sich auch Gedanken macht, wer kennt meinen Angehörigen gut, auch mit seiner demenziellen Veränderung. Vielleicht kann ich auch Besuchspläne machen, wer wann wie im Krankenhaus vor Ort ist, weil man muss sich das einfach so vorstellen, wenn ich dort als Patient bin und ja sowieso Orientierungsschwierigkeiten habe und letztlich auch die Tagesstruktur total anders ist und ich eventuell keine vertraute Person um mich herum habe, dann suche ich natürlich nach Orientierung und dann kann es natürlich zu schwierigen Situationen kommen. Wenn der Erkrankte beispielsweise aufsteht, sein Zimmer verlässt, auch nicht mehr zurückfindet, dann ist es natürlich schön, wenn tagsüber zumindest Menschen da sind, die dem Erkrankten vertraut sind und die ihn letztlich so durch den Tag auch begleiten.
 

Peggy Elfmann: Gibt es da eigentlich spezielle Regelungen? Also, ich meine, normalerweise gibt es im Krankenhaus ja immer so eine Besuchszeit, ein oder zwei Stunden, dass man Besuch empfangen darf oder kann in dieser Zeit. Aber ich denke jetzt gerade, meine Mama, die ist natürlich auf sehr viel Unterstützung angewiesen, also die kann nicht alleine essen oder so. Gibt es da Regelungen oder ist das auch von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich, ob es wie so ein Rooming-in gibt oder ob man tatsächlich auch einfach bei dem Angehörigen die ganze Zeit sein kann, um ihm den Aufenthalt zu erleichtern? Wie ist das da?
 

Anja Kälin: Also, das, was ich weiß, scheint es sehr unterschiedlich zu sein und ich glaube, deswegen ist es eben genauso wichtig, dass man das im Vorgespräch klärt. Also, wenn man beispielsweise mal im Internet "demenzsensibles Krankenhaus" eingibt, dann findet man dort inzwischen auch immer mehr Angebote, also auch Häuser und Einrichtungen, die genau auf solche Situationen gut vorbereitet sind. Und deswegen macht es eben auch genau Sinn, diese Themen anzusprechen und zu sagen, was ist denn in dem konkreten Krankenhaus möglich?
Dann gibt es Situationen tatsächlich, wo vielleicht die Demenz überhaupt noch gar nicht diagnostiziert ist, wo vielleicht auch gewisse Unsicherheit seitens der Angehörigen da ist. Dann erscheint vielleicht bei der Behandlung für die Ärzte und für das Pflegepersonal auch irritierendes Verhalten und das wird dann häufig als Nebendiagnose beim Entlassen des Patienten mitgegeben: "Hier könnte eine demenzielle Veränderung vorliegen". Und das finde ich zum Beispiel schon sehr viel schwieriger, also wenn man da überhaupt gar nicht darauf vorbereitet ist und das eventuell etwas ist, was dann die Familie eventuell auch im Entlassmanagement und in der Übergangsphase, also vom Krankenhaus wieder zurück in die eigene Häuslichkeit, vor sehr große Schwierigkeiten stellt. Weil, wenn ich meinen Angehörigen ins Krankenhaus begleite, dort soll irgendwie eine Untersuchung gemacht werden oder eben auch eine Behandlung vorgenommen werden und dann kriege ich meinen Angehörigen wieder in die Häuslichkeit zurück und stelle plötzlich fest, da steht ja noch etwas anderes, demenziell verändert. Wie gehe ich damit um? Und das taucht eben manchmal auf und das sind wirklich schwierige Situationen.
 

Peggy Elfmann: Also, dieses Entlassmanagement ist ja eigentlich in allen Kliniken mittlerweile fest verankert, nicht wahr? Wird natürlich unterschiedlich genutzt oder unterschiedlich ausgeübt, aber ich glaube, da sollte man auch ruhig selbstbewusst nachfragen und fordern. Ich weiß, dass die eigentlich auch dabei helfen, Einrichtungen zu suchen oder eben, wenn man das Gefühl hat, dass es eben nicht einfach so zu Hause weitergeht, dass es vielleicht erstmal eine Reha oder so etwas möglich wäre oder eine Kurzzeitpflege. Ist ja auch häufig so beim Übergang zurück, dass man sich da direkt die Hilfe sucht und versucht, gemeinsam etwas zu organisieren.
 

Anja Kälin: Genau. Und das sind eben dann häufig die Sozialstationen von den Krankenhäusern, die hier begleiten. Ich habe den Eindruck, in vielen Fällen funktioniert es sehr gut, aber ich habe eben auch schon von vielen Fällen gehört, wo das dann wirklich zu einer sehr krisenhaften und herausfordernden Situation wird, weil dann letzten Endes manche Krankenhäuser auch einfach die Familien mit dieser Situation komplett allein lassen und sagen: "Wir können hier weiter nichts tun. Bitte nehmen Sie Ihren Angehörigen mit nach Hause". Und gerade in Situationen, wo vielleicht der Erkrankte in eigener Häuslichkeit ohne Betreuungspersonen oder ganz alleine wohnt und vielleicht die nächsten Verwandten 200 bis 300 Kilometer weit weg sind, dann kann es natürlich wirklich zu einer sehr, sehr, sehr schwierigen Situation werden, wo man dann sehr schnell gute Entscheidungen treffen muss und eigentlich überhaupt gar nicht gedanklich darauf vorbereitet ist.
 

Peggy Elfmann: Sind wir schon im zweiten Fall, quasi so Akutsituationen. Ich weiß, selbst wenn man sich vielleicht mal so ein bisschen mit dem Thema beschäftigt hat, wie wir das gemacht hatten, also wir haben irgendwann mal eine Tasche gepackt, falls die Mama mal ins Krankenhaus muss und ich habe auch mal so einen Bogen ausgefüllt, aber als sie dann tatsächlich diesen Kreislaufzusammenbruch hatte und der Krankenwagen kam und sie mitgenommen hat, war es eine krasse Ausnahmesituation und dann war erstmal gar nicht klar, die haben dann tatsächlich nur die Mama mitgenommen und dann wusste die Ärztin im Krankenhaus erstmal gar nicht, was überhaupt passiert ist und meine Mutter konnte es nicht äußern und das hat uns vor eine krasse Herausforderung gestellt, weil irgendwie nicht klar war, wie geht es denn ihr jetzt? Und mein Papa sehr verängstigt war und in dem Moment war ich total dankbar, dass mein Bruder eben da war, als das passiert war, weil ich glaube, es ist schon einfach herausfordernd, wenn du als pflegende Angehörige alleine dann auch noch diese großen Ängste durchstehen musst, nicht genau weißt, was passiert jetzt und es schon gut ist, sich dann noch auf ein weiteres Netzwerk oder auf Helfer verlassen zu können.
 

Anja Kälin: Völlig richtig. Das ist tatsächlich so, also was hier auch wichtig ist, ist, dass die Patientenverfügung und auch die Handlungsvollmacht irgendwie griffbereit sein sollten. Dass also auch die Ärzte möglichst schnell Orientierung bekommen, eben mit diesem Bogen. Idealerweise eben auch vielleicht schon die gepackte Tasche irgendwo im Schrank steht. Es gibt ja auch im Kühlschrank diese Boxen. Ich glaube, davon hast du auch schon mal berichtet bei dir auf dem Blog. Also, das sind so Hilfsmöglichkeiten, wo ich sagen kann, gerade wenn vielleicht auch die Person in der eigenen Häuslichkeit wohnt ohne weitere Personen, dann kann ich dieses Szenario auch schon mal so ein bisschen vorbereiten und durchdenken. Was halt häufig schiefgeht, und da denke ich zum Beispiel auch an eine Situation, die ich mit meiner Mutter erlebt habe und da war sie sogar schon in einer Pflegeeinrichtung: Es funktioniert halt nicht immer. In der Pflegeeinrichtung ging es meiner Mutter nicht gut und die Pfleger haben dann auch irgendwann gesagt, hier stimmt irgendwas nicht, wir rufen jetzt lieber den Krankenwagen. Und die haben aber vergessen, meine Schwester und mich anzurufen. Dann ist meine Mutter also mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gekommen. Das war natürlich total verwirrend und irritierend und so diese ganze Aufregung, die darum entstanden ist um diese Situation, also, dass meine Mutter wirklich auch in große Aufregung geriet und auch überhaupt nicht verstanden hat, was passiert jetzt hier eigentlich. Und es hat eben dazu geführt, dass dann im Krankenhaus, es war Verdacht auf einen Schlaganfall, sie sich gegen alle Behandlungen komplett gewehrt hat und sie war damals wirklich schon auch im Verlauf relativ weit mit ihrer Alzheimererkrankung und eigentlich auch so eine relativ kleine, zierliche Person und die hat eine Kraft entwickelt, die hat also wirklich fünf Leute in dem Raum beschäftigt, Pfleger, Ärzte etc., und die haben dann wirklich verzweifelt bei uns angerufen, haben gesagt, wir brauchen jetzt Sie als Tochter, damit sich Ihre Mutter überhaupt behandeln lässt. Und das sind eben Situationen, die wir ganz häufig hören. Es muss gar nicht so schlimm sein. Es kann jetzt eben auch ein Sturz sein, dass vielleicht ein blauer Fleck ist und das Heim einfach sichergehen möchte, dass da nichts passiert ist und vielleicht eine Röntgenuntersuchung vornehmen möchte. Das kann schon zu so einer wirklich krisenhaften Situation sich entwickeln und hier ist halt total wichtig, auch wenn ich meinen Angehörigen in einer Einrichtung habe, ganz klar zu kommunizieren. Also sobald irgendetwas passiert, informieren Sie mich, damit ich als Angehörige dann im Krankenhaus in so einer Akutsituation auch vor Ort sein kann.
 

Peggy Elfmann: Und das geht ja so ein bisschen in die Richtung, wie du auch berichtest, zum Glück und es war ein guter Zufall dann, dass dein Bruder da war und hier helfen konnte, weil dein Vater ja anscheinend in der Situation auch ein bisschen überfordert war.
 

Anja Kälin: Ja, weil auch einfach nicht klar war, was ist jetzt genau passiert. Im Nachhinein wusste man dann, es war einfach ein Kreislaufzusammenbruch, aber das war da nicht klar. Und dann stehen natürlich ganz große, schwerwiegendere Dinge im Raum und man hat sowieso schon irgendwie Angst und dann noch mehr Angst und wir wissen, es ist schwer dann irgendwie vernünftig zu handeln oder pragmatisch zu handeln, wenn die Gefühle so, ja, die Angst im Raum steht. Und die Unsicherheit und man hat irgendwie nicht den richtigen Plan und das ist ja genau das, man kann auch dieses Szenario durchspielen und dann ist es doch irgendwie immer noch mal anders. Und das ist aber auch der Grund, warum wir heute darüber sprechen: Je vorbereiteter ich bin, desto besser ist es für eine Situation.
 

Peggy Elfmann: Und vielleicht ist es auch so ein bisschen das Credo, was wir ja öfters bringen, dass wir uns als Familie auch damit auseinandersetzen oder darüber sprechen, was wäre denn, wenn, vielleicht nicht nur die Frage, wer wird dann informiert, sondern auch wer kann helfen. Fahren wir zu zweit dahin, weil ich glaube gerade so wie du es berichtet hast von dir und deiner Schwester mit deiner Mutter, vertraute Personen sind wahrscheinlich das Allerwichtigste fast für Menschen mit Demenz, oder?
 

Anja Kälin: Genau. Und hier sehe ich tatsächlich auch noch Entwicklungsbedarf bei den Krankenhäusern, weil die Angehörigen auch, ich möchte da gar nichts Böses unterstellen, aber teilweise auch als manchmal etwas schwierig bis hin zu lästig empfunden werden und gleichzeitig sind sie aber eine tolle Ressource auch für die Krankenhäuser. Weil eben, wenn ich das mit dem eigenen Personal nicht sicherstellen kann oder ich auf solche Patienten nicht gut vorbereitet bin, wie in den demenzsensiblen Krankenhäusern, wo es vielleicht auch ganze Abteilungen gibt für solche Patienten, wo auch letztlich die Struktur und die Gestaltung der Räumlichkeiten darauf vorbereitet ist. Dann können natürlich Angehörige sehr hilfreich sein, gerade wenn sie gut vorbereitet sind und vielleicht eben auch Zeiten am Bett oder Hilfe beim Essen oder beim Toilettengang etc., sofern das möglich ist, hier helfen können.
 

Peggy Elfmann: Demenz ist ja eben nicht so eine Krankheit, wo es dieses eine Schema gibt, sondern zeigt sich ganz unterschiedlich und gerade jetzt vielleicht Pflegekräfte oder auch Ärzte, die damit nicht so vertraut sind, die profitieren davon, wenn sie auf das Erfahrungswissen von den Angehörigen zurückgreifen können. Was ich aus unserer Erfahrung auch wichtig finde, ist so etwas wie eine Visite, Arztgespräche, dass man auf jeden Fall als Angehöriger dabei ist oder auch wenn es sich irgendwie einrichten lässt, zu zweit dabei zu sein, weil ja, zwar hören immer mehr oder können sich Dinge dann doch besser merken oder wenn das nicht funktioniert. Also ich habe tatsächlich auch eine ganz gute Erfahrung gemacht, einfach anzurufen, also auch in der Notaufnahme und anzurufen, zu fragen, wie geht es der Mama und die haben da sehr, sehr empathisch auch Auskunft gegeben.
 

Anja Kälin: Genau. Was so ganz interessant für mich auch noch mal war, meine Mutter, die war jetzt in der Zeit, wo sie an Alzheimer erkrankt war, dreimal im Krankenhaus. Das war eben genau diese besagte Situation mit dem Schlaganfall. Das heißt, sie ist da auf eine Stroke Unit gekommen, eine Intensivstation. Da war es natürlich für uns sehr bedrückend, gerade weil sie auch in so einer Aufregung war. Wir konnten dort kein Rooming-in machen, weil es eben eine Intensivstation war. Da war dann einfach die Situation, dass wir auch Entscheidungen getroffen haben. Ich glaube, auch darüber ist es wichtig, sich Gedanken zu machen in so einem Fall, was würde sich denn vielleicht auch der Erkrankte wünschen? Und wir haben beispielsweise in der Situation gemerkt, dass sich meine Mutter zwar in unserer Anwesenheit beruhigt hat, aber uns war klar, Nächte werden dort schlimm, für sie und vielleicht auch für das Personal und für alle anderen Beteiligten. Das ist jetzt natürlich eine sehr besondere Situation, die ich da erzähle, aber meine Schwester und ich, wir haben uns dann tatsächlich auch gegen den Rat der Ärzte entschieden, dass meine Mutter wieder ins Pflegeheim zurück kann und darf für die Zeit, wo sie eigentlich unter Beobachtung stehen sollte. Das Pflegeheim hat es glücklicherweise auch mit dem Arzt gut abgestimmt.
 

Peggy Elfmann: Ihr habt das aber wahrscheinlich abgestimmt und nicht einfach auf eigene Faust entschieden, weil das ist dann schon heikel, oder?
 

Anja Kälin: Genau. Ich will nur sagen, was hier natürlich schon auch Sinn macht, ist, sich wirklich auch über solche Situationen gedanklich klarzumachen, dass es sehr schnell sehr gravierende Entscheidungen sein müssen und dass ich eventuell eben auch hier mich mit dem Pflegeheim und den behandelnden Ärzten auch über solche extremen Situationen abstimmen muss. Ich bin total froh, dass wir das damals so entschieden haben. Es ist auch gut gegangen, meine Mutter war sehr glücklich, dass sie wieder in ihr Nest, wie wir es genannt haben, zurückdurfte und das Pflegeheim hat es auch mitgetragen und der Arzt, der sie betreut hat, auch mitgetragen. Ich finde nur, es gehört quasi zu diesem ganzen Kontext dazu, dass natürlich auch hier sehr schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden müssen und ich muss mir letztlich dann eben auch Gedanken darüber machen, wie entscheide ich dann.
 

Anja Kälin: Ein anderes Beispiel, da war meine Mutter gestürzt und das war überhaupt nicht so gravierend. Auch hier wollte das Heim einfach sichergehen. Wir wurden auch angerufen in dem Fall. Ich bin dann ins Krankenhaus gekommen und da saß dann meine Mutter im Rollstuhl im Schwesternzimmer. Und eine der Damen hat sich mit meiner Mutter unterhalten, soweit es ging. Und das fand ich eben ein sehr schönes Beispiel, dass sie nicht irgendwo in den Raum gestellt wurde, wo sie alleine war, sondern dass sie das Gefühl hatte, sie wird beschäftigt und unterhalten, bis die Tochter kommt. Ich möchte auch so ein Beispiel noch mal nennen. Das gibt es eben auch.
 

Peggy Elfmann: Das finde ich sehr schön, dass wir quasi zum Abschluss auch noch etwas Mutmachendes sagen, weil ich glaube, wir haben jetzt von Unwissen oder vielleicht von nicht so guten Erfahrungen gesprochen, aber ich glaube, das liegt einfach natürlich auch an der Personalknappheit, die einfach akut ist und sich vermutlich auch so schnell nicht ändern wird. Und insofern ist es eben total wichtig, dass Fachpersonal und Angehörige zusammenarbeiten und gerade bei dem Thema Demenz, wo eventuell der Erkrankte nicht mehr gut für sich selber sprechen und entscheiden kann und man dann eben gemeinsam schauen muss, was sind jetzt gute Behandlungspläne und Maßnahmen und wie kann so eine schwierige Situation bewerkstelligt werden und dass man dort zusammenhilft und auch das jeweilige Expertentum zusammenlegt, weil ich meine, auch die Angehörigen können ja einen wichtigen Beitrag leisten.
 

Anja Kälin: Ja, das finde ich ein schönes Statement und das ist auch so ein bisschen das Learning, was ich jetzt aus dieser Folge und unserem Gespräch mitnehme. Tatsächlich, dass es lohnenswert ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und die Formalia, soweit es möglich ist, so etwas wie Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, dass man sich darum kümmert, also das, was man tatsächlich vorbereiten kann, das irgendwie tun. Und dann in der Situation aber miteinander und aber auch selbstbewusst von den eigenen Erfahrungen eigentlich handelt und da dann Entscheidungen trifft, die schwer sein können, aber manchmal eben auch einfach notwendig sind.
 

Peggy Elfmann: Genau. Das ist so ein schönes Fazit. An der Stelle möchten wir uns ganz herzlich bedanken, dass ihr dabei wart. Wir möchten uns bedanken bei Valentin Ramm, unserer Tontechnik und gerne noch einen Hinweis machen.
Anja Kälin: Ja, wir haben noch einen Veranstaltungshinweis. Das DemenzMeet München wird am 13. Mai stattfinden. Desideria Care richtet es aus. Auf dem DemenzMeet stehen vor allem die Angehörigen und die Menschen mit Demenz im Mittelpunkt. Sie werden von ihren Erfahrungen berichten in Mutmachgeschichten. Anja und ich führen durch das Programm und wir würden uns wahnsinnig freuen, ganz viele von euch in München begrüßen zu dürfen.
 

Peggy Elfmann: Genau. Bis dahin wünschen wir euch einfach eine gute Zeit und freuen uns, wenn ihr beim nächsten Podcast wieder als Hörer und Hörerinnen dabei seid.
 

Anja Kälin: Bis dann. Tschüss.
 

Peggy Elfmann: Ciao

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