Die Einsamen: Wie Pflegende Angehörige durch Austausch und Vernetzung aus der Isolation kommen
In dieser Kolumne schreibt Désirée von Bohlen und Halbach über die stille Einsamkeit, die viele pflegende Angehörige erleben – und darüber, wie Austausch und Gemeinschaft entlasten können.
Demenz und Einsamkeit: Wenn der vertraute Austausch verloren geht
Demenz macht einsam. Warum? Die Gründe sind vielfältig. Ein Aspekt ist, dass pflegende Angehörige nach und nach den vertrauten Austausch mit ihrem erkrankten Familienmitglied verlieren. In einer Partnerschaft wird das besonders deutlich. Entscheidungen müssen allein getroffen werden, der gemeinsame Alltag bricht weg. Gespräche verstummen – aus Zweisamkeit wird Einsamkeit.
Alzheimer in der Partnerschaft: Ein persönlicher Erfahrungsbericht
In unserer Desideria Angehörigen-Community begleiten wir seit einigen Jahren einen Mann, knapp über 60 Jahre. Seine Frau erhielt mit Ende 50 die Diagnose Alzheimer. Die Krankheit schreitet schnell voran. Aus einer Partnerschaft auf Augenhöhe wird mehr und mehr eine Beziehung, die aus dem Gleichgewicht gerät. Während sie Kompetenzen verliert und immer mehr auf ihn angewiesen ist, muss er neue aufbauen und in die Fürsorge-Rolle hineinwachsen. „An schlechten Tagen bin ich verzweifelt darüber, dass ich das Wort nicht mehr an den Menschen richten kann, der sie einmal war“, sagt er. Und nicht nur das quält ihn. Auch das Umfeld trägt dazu bei, dass er weiter vereinsamt. Freunde und Familie ziehen sich zurück. Aus Angst oder Unsicherheit. Weil sie nicht wissen, wie sie mit der veränderten Situation umgehen sollen oder befürchten, etwas Falsches zu machen oder zu sagen.
Wenn pflegende Angehörige sich zurückziehen
Die Folgen für ihn und auch andere pflegende Angehörige in ähnlicher Situation: Familien, die sich um einen Menschen mit Demenz kümmern, nehmen immer weniger am gesellschaftlichen Leben teil. Ein stilles Leid.
Unterstützung für Angehörige von Menschen mit Demenz
Was kann man dagegen tun? Auch wenn es den Eindruck erweckt und Menschen mit Pflegeverantwortung die Kraft fehlt, sich aus dieser Situation herauszuholen – niemand sollte und muss in der Pflegesituation allein bleiben. Pflegenden Angehörigen möchte ich Mut machen: Sucht den Austausch mit anderen – zum Beispiel in Online-Angehörigengruppen. Dort gibt es Verständnis, Offenheit und Gemeinschaft. Durch die Zugehörigkeit in der Gruppe erfahren Menschen in ähnlichen Situationen von verschiedenen Möglichkeiten, der Demenz und den Herausforderungen im Alltag zu begegnen. Sie lernen voneinander und stützen sich gegenseitig. Das tut gut und stärkt für den Alltag – ein Hoffnungsschimmer.
Mehr gesellschaftliche Teilhabe für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
Auch wir als Gesellschaft sind gefragt und können ganz einfach zu mehr Teilhabe beitragen. Vor allem eines: Dasein. Sich Wissen aneignen, Unsicherheiten überwinden, sich nicht zurückziehen und ganz normal und wertfrei mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen umgehen. Unser pflegender Angehöriger drückt es so aus: „Verhaltet euch wie immer.“
Ihre
Désirée von Bohlen und Halbach
Gründerin und Vorstandsvorsitzende Desideria e.V.