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Newsbeitrag

Biografiearbeit auch eine gute Idee zu Weihnachten

13.12.2024

Wenn Erinnerungen verblassen, kann Biografiearbeit helfen, den Zugang zur eigenen Geschichte zu bewahren. Desideria Familien-Coach Jeanette Kießling erklärt, warum Biografiearbeit besonders zur Weihnachtszeit eine wertvolle Bereicherung für die ganze Familie ist.

Was genau versteht man unter Biografiearbeit im Kontext von Demenz?

Menschen mit Demenz können neue Informationen nicht mehr abspeichern. Neu Erlerntes findet nicht mehr den Weg vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis. Was von Demenz betroffene Menschen aber noch relativ lange zur Verfügung haben, sind alte Erinnerungen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Dort ist das sogenannte „innere Tagebuch“ abgespeichert, also alle Informationen, die unsere Persönlichkeit, unser „Selbst“ definieren. Wenn wir dieses innere Tagebuch mit Hilfe von Biografiearbeit aktivieren und damit das gelebte Leben unseres Angehörigen würdigen, dann erreichen wir damit, dass Menschen mit Demenz sich ihres eigenen Lebens, ihrer eigenen Persönlichkeit vergewissern können: ‚Ja, das war mein Leben, das war ich und das bin ich noch.‘ Deshalb werden auch häufig immer und immer wieder die alten Geschichten erzählt.

 

Wie kann ich als Angehöriger Biografiearbeit angehen? Einfach die Fotoalben rauskramen oder gibt es andere Methoden?

Alte Fotos sind natürlich immer eine gute Möglichkeit, Erinnerungen zu wecken. Ich bin grundsätzlich ein großer Fan von Dingen, die sich in die Hand nehmen und sozusagen auch „erfühlen“ lassen. Eine kleine Schatzkiste oder ein kleiner Koffer voller Gegenstände eignet sich dafür sehr gut. Das können Gegenstände aus dem Haushalt des Angehörigen sein oder auch Dinge, die sich auf Flohmärkten finden lassen – eine alte Spieldose vielleicht, eine Weihnachtsglocke, alte Post- oder Landkarten schon bereister Länder, alte Schallplatten, Fotoapparate oder längst vergessene Haushaltsgegenstände wie ein besonderer Korkenzieher zum Beispiel. Diese Schatzkiste kann immer wieder auf den Tisch gestellt werden und bietet viele Gelegenheiten zur Biografiearbeit. Es gibt aber auch spezielle Biografiespiele, wie z. B. das Spiel „Vertellekes“, das mit Erinnerungen arbeitet und auch für Menschen mit Demenz entwickelt wurde.

 

Welche Vorteile bringt Biografiearbeit einem Menschen mit Demenz? Und wie macht man das zusammen, ohne dass „Druck“ entsteht oder sogar Traurigkeit aufkommt, weil sich das erkrankte Familienmitglied an manche Sachen nicht erinnern kann?

Menschen, die von Demenz betroffen sind, äußern immer wieder die große Angst, ihre Persönlichkeit, also ihr „Ich“, zu verlieren: ‚Ich habe Angst, mich selbst zu verlieren.‘ Mit Biografiearbeit stärken wir, im wahrsten und ganz wörtlichen Sinne, das Selbstbewusstsein unserer Angehörigen. Die Entdeckung der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens kann beruhigend und wohltuend sein. Wichtig ist, dass wir möglichst leicht und spielerisch an die Sache herangehen – eben ohne Druck aufzubauen! Es sollte kein Training und kein Wettbewerb stattfinden, der leicht frustrieren kann. So lässt sich auch spielerisch darüber hinweggehen, wenn Angehörige mit Demenz sich an bestimmte Ereignisse nicht mehr erinnern können. Das ist ja nicht schlimm! Es sollte auch keine Korrektur und Verbesserung stattfinden, das könnte zu Eskalationen führen und nützt niemandem etwas. Das Wichtigste an der Biografiearbeit ist: Sie soll positiv sein und bei allen Beteiligten Wohlbefinden auslösen! Suchen Sie sich also etwas aus, das Ihnen selbst auch Freude bereitet!

 

Die Weihnachtsfeiertage können stressig und belastend sein. Wäre Biografiearbeit hier eine Idee, einen schönen Akzent zu setzen?

Auf jeden Fall! Die Weihnachtszeit ist besonders für Biografiearbeit geeignet. Erstens, weil sich nach dem vorweihnachtlichen Stress ja irgendwann tatsächlich Ruhe einstellt. Diese Ruhe, und im besten Falle auch eine Art Besinnlichkeit, kann dann gut ohne Zeitdruck für alle genutzt werden. Und zweitens, weil die Weihnachtszeit bei fast allen Menschen mit überwiegend positiven Erinnerungen besetzt ist. Je nachdem, inwieweit die Sprache der von Demenz betroffenen Menschen noch verfügbar ist, könnte man sich gut über Lieblingsgeschenke oder besondere Weihnachtsbräuche von früher unterhalten. Sind Unterhaltungen nicht mehr möglich, könnten auch z. B. liebgewonnene Weihnachtsgerichte gekocht werden, alte Weihnachtsgeschichten vorgelesen oder auch traditionelle Weihnachtslieder gehört oder sogar gesungen werden. Denn gerade Weihnachtslieder sind es ja, die uns alle, und damit auch Menschen mit Demenz, ein Leben lang begleiten.

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