Die Unsichtbaren: Die Kolumne im März 2025
Demenz betrifft nicht nur Erkrankte, sondern ganze Familien. Warum Angehörige mehr Wertschätzung brauchen – und was wir als Gesellschaft tun können.
Mit Bademantel gegen das Schweigen: Wie eine Challenge Demenz sichtbar machte
Eine Frau im Bademantel an der Bushaltestelle. Ein Mann ebenso bekleidet an der Kasse im Supermarkt. Eine ganze Gruppe von Frauen in bunten Bademänteln auf dem Oktoberfest. Vielleicht erinnern Sie sich noch an dieses ungewöhnliche Bild.
Bei der sogenannten Bademantelchallenge des Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen gingen Menschen in ganz Deutschland in einem doch eher privaten Outfit auf die Straße. Was war der Grund?
Sie wollten mit einem Tabu brechen. Zeigen, dass Menschen unter uns leben, die sich einfach mal anders verhalten. Sie wollten die Erkrankung Demenz sichtbar machen und für das Thema sensibilisieren.
Demenz ist längst eine Volkskrankheit – und betrifft uns alle
Man kann es nicht oft genug sagen: 1,8 Millionen Menschen in Deutschland haben Demenz. Bis 2030 könnte diese Zahl auf bis zu drei Millionen steigen. Eine erschreckende Prognose, die zeigt, dass Demenz längst eine Volkskrankheit ist.
Was vielen nicht bewusst ist: Die Erkrankung trifft nicht nur die Menschen mit Demenz, sondern die ganze Familie. Dreiviertel der Betroffenen werden zu Hause gepflegt. Hinter jedem Erkrankten stehen zwei bis drei Angehörige: Partner, Töchter, Söhne, Enkel. Das sind allein in Deutschland fünf Millionen Menschen. Vielleicht gehören Sie dazu?
Die stille Last: Pflegende Angehörige sind das unsichtbare Pflegezentrum
Die Familie ist – ohne sich dessen bewusst zu sein – ein Pflegezentrum. Während sich das Gesundheitssystem stark auf die Erkrankten konzentriert, geraten die Bedürfnisse der Angehörigen in den Hintergrund.
Sie pflegen bis zur Erschöpfung, fühlen sich zerrissen zwischen Verpflichtungen und eigenen Wünschen und Zielen. Die Kompetenzen, die das erkrankte Familienmitglied im Laufe der Zeit verliert, müssen sich Angehörige aneignen. Dies bedeutet, immer mehr Verantwortung für sich und den Betroffenen übernehmen.
Wenn Pflege zur Dauerbelastung wird – was Angehörige wirklich brauchen
Bei dieser Aufgabe fühlen sich pflegende Angehörige meist allein gelassen. Eigene Bedürfnisse rücken in den Hintergrund. Sie vereinsamen und werden nicht selten selbst krank.
Desideria Care: Räume für Austausch, Verständnis und neue Stärke
Mit meinem Verein Desideria habe ich es mir auf die Fahnen geschrieben, diese Menschen nicht allein zu lassen, Räume für Austausch und Vernetzung zu schaffen, in denen sie offen über ihre Nöte sprechen können.
Demenz geht uns alle an – brechen wir gemeinsam das Tabu
Auch Sie können dazu beitragen, das Tabu Demenz zu brechen. Indem Sie dem Thema offen gegenüberstehen, hinsehen, Gespräche ermöglichen. Demenz geht uns alle an. Es ist keine Privatangelegenheit, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung. Angehörige brauchen mehr als nur Mitgefühl. Sie brauchen Unterstützung, Wertschätzung und Raum für ihre eigenen Bedürfnisse. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass sie nicht die Unsichtbaren bleiben, die sie im Moment sind.
Ihre
Désirée von Bohlen und Halbach
Gründerin und Vorstandsvorsitzende Desideria e.V.